Bis 2013 hatte Google das Monopol auf eine Shared Documents-Lösung, mit der man gemeinsam online sowohl gleichzeitig als auch zeitversetzt in digitalen Dokumenten jeglicher Art (Textdokumente, Tabellen, Präsentationen…) zusammenarbeiten konnte. Einzige Voraussetzungen sind ein kostenloser Google-Account und eine Internetverbindung, denn die Software wird im Internetbrowser ausgeführt – die Dokumente liegen auf Google-Servern (Cloud).
Google-Account, alles online, Daten in Amerika: Problematisch im deutschen Bildungskontext
Die vermeintlich geringe Einstiegshürde bei Google Drive (so heißt die Komplettlösung für die Google Office Lösung und Cloud Storage) stellt den E-Learning-Begeisterten gleich vor mehrere Probleme: Man kann und will Lernende nicht dazu zwingen einen Google-Account zu erstellen oder den privaten Account im Bildungskontext zu verwenden. Googles Geschäftsgebaren basiert auf personalisierter Werbung (basierend auf dem Nutzerverhalten) – ein Google-Account macht einen Schüler oder eine Schülerin damit unfreiwillig zur Datenquelle. Des Weiteren liegen die Dokumente auf Googles amerikanischen Servern – es gibt zwar eine Download-Möglichkeit zur Offline-Speicherung, doch hat man damit wieder eine „Doppellösung“: Ein Dokument zur Zusammenarbeit im Browser (z.B. eine sogenannte „*.gdoc“-Datei) und ein „nicht-kollaboratives“ Offline-Dokument (z.B. ein mit Microsofsoft Word kompatibles „*.docx“-Dokument). Vielleicht mittlerweile zu vernachlässigen, aber (gerade in Bildungsinstitutionen) immer noch ein Problem: Online only! Google-proprietäre Dateien lassen sich nur bei bestehender Internetverbindung im Internetbrowser bearbeiten. (Ein Offline-Modus für Dateibearbeitung ist umständlich und funktioniert nur bedingt.)
Microsoft Office 2016: Desktop-Programme mit kollaborativen Funktionen
Seit 2013 bietet auch Microsoft mit Office Online die o.g. Google-Funktionen: Online-Zusammenarbeit mit angebundenen Cloud-Service One Drive. Auch hier bietet Microsoft eine kostenlose Variante an – mit ähnlichen Problemen wie bei Google Drive (keine Offline-Funktion, Daten in Amerika). Allerdings gibt es mit Office 365 auch eine kostenpflichtige Abonnementvariante, über das man die Desktopprogramme Word, Excel etc. erhält, aber eben auch die kollaborativen Cloud-Funktionen nutzen kann. Im Unterschied zu Google kann man vollständig offline mit den gewohnten Office-Programmen arbeiten; die Cloud-Lösung (Zusammenarbeit und Synchronisation) kann beim institutionellen Einsatz aber eben auch über Microsoft Sharepoint-Server auf einem lokalen Server in der Schule oder Uni gespeichert werden – die Daten bleiben also „im Haus“.
Dringend nötig: eine umfassende Digital Learning-Strategie
All das kostet natürlich viel Geld: Lizenzen, Serverhardware, IT-Administrator/innen, User support… Gelder und Mittel, die gerade kleinen Schulen aber eben auch oft Universitäten nicht haben oder nicht ausgeben wollen. Deshalb steckt man als E-Learning-Begeisterte/r oft in der Zwickmühle: Lieber die professionelle, datenschutzrechtlich unbedenkliche Microsoft-Lösung (die man sich nicht leisten kann) oder die Google-Offerte mit den genannten Problemen? Eigentlich wäre hier das Kultusministerium in der Pflicht, um mit einer klaren Digitalstrategie den z.B. durch die ICILS-Studie 2013 bescheinigten Defiziten im digital learning-Bereich entgegenzuwirken. Und dazu muss tatsächlich auch Geld in die Hand genommen werden, um an sinnvollen Stellen durch Technik Lernprozesse zu unterstützen. Dass sich Lehrer/innen und Dozent/innen bei dieser Faktenlage und mangels entsprechender Ausbildung oder Beratung oft gegen den Einsatz modernster Technologien entscheiden oder sich im Zweifel für das „falsche“ Tool, überrascht kaum. Und man kann es ihnen auch nicht übel nehmen.