Der Smartwatch Test – oder: Kann man jetzt auch mit Uhren lernen?

Ich muss zugeben, der ganze Hype der letzten Tage und Wochen um die Apple Watch (ab 350 Euro bis 18.000 Euro (!) ab April zu haben) hat mich nicht kalt gelassen. Eigentlich wollte ich noch warten, bis diese neue und vielversprechende Produktkategorie die erste Generation und Kinderkrankheiten hinter sich gelassen hat. Aber ich liebe es mit neuer Technik zu spielen. Gerne auch bevor es alle anderen tun. Also habe ich mir meinen Favoriten unter den aktuell verfügbaren Smartwatches bestellt: Die (runde) Motorola Moto 360 mit schwarzem Gehäuse und Edelstahlarmband. Was mir an dem Punkt jedoch noch nicht bewusst war: Man kann mit (schlauen) Uhren jetzt sogar lernen – klar, dass ich dazu einen Bericht für Lernhandwerk schreiben musste…

Die Hardware: Die schönste Smartwatch (für mich) mit wenigen Kompromissen

Datenblätter und Reviews zur Moto 360 gibt es bereits zu genüge. Deshalb möchte ich mich kurz halten und nur meinen subjektiven Eindruck hinzufügen. Eine Uhr gefällt mir am Besten, wenn sie rund ist. Das ist auch die Moto 360. Der kleine schwarze Balken an der Unterseite (für Displaytreiber) stört mich nur wenig. Das Gehäuse inkl. Edelstahlarmband ist wertig, aber mit Sicherheit nichts für die Ewigkeit. Mir ist die Uhr persönlich nicht zu klobig, aber auch hier ist das meines Erachtens reine Geschmackssache. Einzige Hardwarekritikpunkte: Die Displayauflösung ist nicht mehr auf dem Stand der Zeit. Zu pixelig, etwas blass. Es lässt sich aber ertragen. Das gleiche gilt für den Prozessor – nur selten ruckelt es einmal, aber vor allem wenn die Uhr (durch „ich-schaue-wie-spät-es-ist-Handbewegung“, sehr praktisch) aufgeweckt wird, braucht der Prozessor einen kleinen Moment, um aufzuwachen. Das sind so die kleinen Dinge, die den Alltagsbetrieb noch ein bisschen trüben. Bezüglich Akku hatte ich, trotz viel Probierens und Spielerei am Anfang, gar keine Schwierigkeiten. Die Uhr hält locker einen langen Tag durch und kann dann (zu meiner Begeisterung) auf einem kabellosen Ladegerät geladen werden. So muss das sein!

Die Software: Noch nicht ganz am Ziel – aber Android Wear ist auf dem allerbesten Weg dort hin

Ich könnte über die letzten Woche, die ich die Uhr hatte, Romane schreiben – es ist schon faszinierend, was bereits alles so möglich ist und das bei einem Gerät der 1. Generation! Ich werde daher auf die Punkte und Funktionen eingehen, die aus meiner Sicht bei einer Smartwatch sinnvoll sind und mich begeistert haben:

Google Now Karten: Gemäß dem Ziel von Google „Suchergebnisse anzeigen, bevor der Nutzer gesucht hat“ passt dieses Szenario perfekt zur Uhr. Google erkennt, dass man in der Nähe einer Haltestelle ist? Hier sind die Züge/Busse, die bald von dort abgefahren. Google weiß, dass man heute einen Flug gebucht hat? Hier sind die Checkin Daten, der QR Code zum Vorzeigen am Check-in und die Sitzplatznummer. Google sieht in den Mails, dass man einen Platz in einem Restaurant reserviert hat? Hier sind die Daten, Zeit und wenn gewünscht Navigation zum Restaurant. Ich finde es faszinierend und toll umgesetzt!

Nachrichten: Wenn jemand eine Nachricht auf dem Handy geschrieben hat, werden kurze Benachrichtigungen darüber angezeigt. Man kann kurz mit einem „Gefällt mir“ (bei Facebook) antworten oder per Text-to-Speech Nachricht. Läuft gut, aber nicht immer 100% rund.

Google Sprachsuche: Hier spielt Google natürlich alle Asse gleichzeitig aus. Fragen wie „Wie alt ist Helmut Kohl?“ werden mit der direkten Information und nicht einem Webseitenauszug zurückgespielt. Das kann im Alltag wirklich nützlich sein und selbst komplexere Fragen konnte Google überraschend gut beantworten. Ebenso werkelt die Spracherkennung ziemlich exakt.

Selbstauslöser: Einer dieser „Wow!“ Momente, die ich in Sachen Technik schon lange nicht mehr hatte. Ohne, dass ich das überhaupt wusste, bietet mir die Uhr beim Starten der Kamera auf dem Handy an, diese per Selbstauslöser auszulösen. Gleich danach wird das Resultat in Bildform angezeigt. Und das meine ich: Kontextbasierte Informationen oder Hilfestellungen: Das muss eine Smartwatch können – mehr nicht mal unbedingt…

Fitness: Für mich eher ein „Gimmick“, aber nur der Vollständigkeit halber: Die Uhr zählt Schritte und wenn gewünscht auch auf Abruf den Puls per optischem Sensor. Ein nettes Feature, für mich aber nicht entscheidend. Viel besser würde ich eine Laufuhr-GPS-Funktionalität, die auch ohne Smartphoneverbindung auskommt, finden. Aber das braucht noch 1-2 Generationen…

Navigation: Hier kommt das zum tragen, wofür ich Smartwatches sinnvoll finde – eigentlich beschäftigt mit etwas anderem (nämlich den Weg suchen) nicht ständig parallel auf das Handy schauen zu müssen. Dieses Multitasking nervt mich im Alltag oft – und das kann die Uhr wunderbar. Mit einfachen und sauberen Hinweisen reicht ein kurzer Blick auf die Uhr, kein Handy rausholen nötig.

Musiksteuerung: Auch hier ein ganz klarer Mehrwert der Uhr! Ich höre Musik übers Handy, das Lied und Albumcover wird mir auf der Uhr angezeigt. Musik zu laut, Helene Fischer schon zu oft gehört? Einfach über die Uhr leiser/lauter stellen oder das nächste Lied anwählen. Auch hier kann das Handy endlich bequem in der Tasche bleiben!

Wunderlist: Eine App, ohne die ich nicht mehr auskommen möchte, spielt hier ebenfalls seine Stärken aus. Zu Hause die Einkaufsliste aufgestellt, an der Uhr im Supermarkt direkt nach und nach abgehakt – und kein störendes Handy in der Hand!

Zwischenfazit: Ich finde, Google macht hier schon sehr viel richtig. Im Gegensatz zu Apple Watch werden fast nur Funktionen implementiert, die auf so einem kleinen Display und in so einem Szenario Sinn machen. Instagram Fotos anschauen (liebe Apple Chefs) macht keinen Sinn auf der Uhr! Dazu habe ich ein 5 Zoll Display in der Hosentasche. Schade eigentlich, dass Apple da blind alles integriert, was technisch möglich ist. Früher war das eher Googles Spezialität, heute ist es andersrum… Hier und da gibt es sicher noch ein paar Ecken und Kanten (z.B. abgeschnittene Darstellungen, frickelige Bedienung, ab und zu mal ein paar Ruckler etc.) – aber alles in allem schon eine beachtliche Leistung und ein bemerkenswerter Vorgeschmack auf die Zukunft.

Ich persönlich bin von der Android Wear Software begeistert und werde der Plattform mit Sicherheit treu bleiben.

(Sprachen) lernen mit meiner Lieblingsapp Duolingo – jetzt auch auf der Smartwatch!

Eine echte Überraschung im Test der Smartwatch war, dass auch Duolingo bereits eine Implementierung für Android Wear vorgenommen hat. Wer Duolingo noch nicht kennt, sollte das schleunigist nachholen: Meiner Meinung nach ist es das tollste Start-up im Bereich „kostenlos Sprachlernen“ der letzten Jahre mit einem liebevollem und sinnvollem Konzept, sowie einer echt tollen App.

Was konnten die Macher von Duolingo also hier umsetzen? Nun ja, für den Moment eine Art „Vokabellernkarte“ auf der Uhr. Das heißt, es wird ein Wort in der Fremdsprache angezeigt und man hat einige Sekunden Zeit, um sich die Übersetzung zu überlegen. Diese wird dann automatisch angezeigt und man kann (sozusagen auf „Vertrauensbasis“) angeben, ob man die richtige Übersetzung im Kopf hatte. Nach 10 Wörtern ist die Sitzung vorbei und man kann sich wieder neue Wörter, angepasst an sein Niveau auf Duolingo, geben lassen.

Die Umsetzung wirkt noch wie ein erster Entwurf und sicherlich wird Duolingo bereits an weiteren Funktionen und Möglichkeiten tüfteln. Es zeigt aber auch die Richtung für weitere „Lernszenarien“ auf, die ich mir persönlich an einer Uhr vorstellen könnte:

– Quizzes/Multiple Choice Tests für Zwischendurch
– Ausspracheübungen, z.B. mit Spracherkennung
– Lernkarten im klassischen Stil mit anderen Inhalten
– Schnellere und bequemere Suche nach Information(sschnipseln)

Vor allem letzter Punkt bringt mich immer wieder zu der Frage: Warum überhaupt noch Sachen wie Jahreszahlen, Einwohner und Hauptstädte von Ländern, d.h. rein faktisches Wissen in der Schule lernen, wenn man all‘ dies per Sprachbefehl auch sofort geliefert bekommt? Natürlich ist das ein extremer Ansatz und manche größere Zusammenhänge lassen sich auch nur erschließen, wenn man die Inhalte selbst kennt. Allerdings bin ich davon überzeugt, dass alleine die Möglichkeit, Wissen jetzt noch schneller aufrufen zu können, unser Lernen in Zukunft weiter nachhaltig verändern wird. Welche der vorgestellten Übungsszenarien Bestand haben, wird schlicht und ergreifend die Zuverlässigkeit und der gefühlte praktische Nutzen in Zukunft zeigen. Ich bin jeden Falls gespannt, was da noch so kommen wird!

Mein persönliches Fazit: Faszinierend – und alles eine Frage der Zeit

Warum wollte ich eine Smartwatch wie die Moto 360 ausprobieren? Wie eingangs beschrieben natürlich aus „Technik Neugier“, aber auch, weil ich ständige Erreichbarkeit und Benachrichtigungen manchmal anstrengend finde. Was jetzt paradox klingt, könnte tatsächlich durch so eine Uhr verbessert werden: Man muss das Handy nicht andauernd aus der (Hosen)tasche holen und checken, sondern einfach kurz sein Handgelenk drehen. Nichts da? Ok, Handy kann in der Tasche bleiben. Wie war noch mal der Weg zum Restaurant? Google hat bereits alles zur Beantwortung dieser Frage parat gelegt.

Um den Stress tatsächlich zu reduzieren und weitere echte Mehrwerte und nervige Problemchen zu beseitigen braucht es sicher noch etwas Zeit. Aber wenn bereits die erste Generation eines Betriebssystems für Uhren und der Hardware so faszinierende „technische Erlebnisse“ hervorbringt, bin ich mir sehr sicher, dass es auch in Zukunft nicht mehr wegzudenken ist. Genau wie bei Smartphones wird es nur eine des wann sein, bis störende Probleme für manche behoben sind und ein „me too“ Effekt eintritt und fast jeder so eine Uhr am Handgelenk haben will. Demonstrationen der Uhr bei Freunden und Verwandten haben jedenfalls echten Eindruck erzeugt – genau wie damals das erste Smartphone.

Es wird also nur eine Frage der Zeit (höhö!) sein, auch bis weitere Lernmöglichkeiten aufkommen, über die wir bei Lernhandwerk natürlich berichten werden. Werde ich die Moto 360 behalten? Vielleicht. Aber auch nur, weil bereits der Nachfolger in den Startlöchern steht und wie gesagt: Ich spiele doch so gerne mit neuer Technik…

 

Posted on 20. März 2015 in Android, Apple, Entertainment, Mobile, Technik & Lernen, Technology

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About the Author

Jan Ullmann liebt es neue Technik Spielzeuge auszuprobieren - er ist der Tüftler bei Lernhandwerk und stets auf der Suche nach neuen Lösungen zum Thema "E-Learning".
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